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Und plötzlich sitzt Nestbau-Koordinatorin Helen Bauer für eine Mutmach-Geschichte nicht nur mit dem nach Mittelsachsen zugezogenen Gastronom David Liebig und seiner in den Landkreis zurückgekehrten Frau Catrin bei einem leckeren Eis zusammen. Spontan gesellt sich das vorherige Flora-Eigentümerpaar Kornelia und Hans-Jürgen Kahsnitz zum Generationenkaffee hinzu. Besonders die Anwesenheit der zwei heute pensionierten Gastwirte rückte das hochaktuelle Thema der Unternehmensnachfolge in den Fokus. Das bot für das Nestbau-Interview einen großen Vorteil: Einblick in beide Seiten – vorherige Inhaber, nachfolgende Inhaber.
Was gleich zu Beginn zwischen beiden Paaren auffällt: die Vertrautheit, das wertschätzende Miteinander. Sicher nicht immer gängig bei so einem Vorhaben. Auch der Weg zu deren gelungenen Übergabe bietet so einige Aha-Momente.
David Liebig erinnert sich: „Catrin und ich zogen 2010 bedingt durch neue familiäre Herausforderungen von einer Wohnung in der Sächsischen Schweiz ins mittelsächsische Sayda in das Haus der Familie meiner Frau. Mehr Platz für unsere Kinder, mehr Nähe zur Familie, die eigenen vier Wände nach den individuellen Wünschen sanieren. Die Vorstellung gefiel uns. Und: Wir mussten nicht mehr pendeln.“ Denn die jungen Eltern arbeiteten zu der Zeit bereits in einem regionalen mittelsächsischen Gasthof. Catrin Liebig machte dort ihre Ausbildung, ihr Mann David war dort als Küchenchef tätig. Das Eis für das Speisenangebot bezog er dabei über das Café und Restaurant Flora: „Für mich eines der besten Eisrezepte der Region“ beschreibt David Liebig mit strahlendem Gesicht. Seine Frau Catrin wechselte den Job und unterstützte nach der Elternzeit ebenfalls im beliebten Ausflugsziel der Muldaer. Das Unternehmerpaar Kahsnitz war ihnen deshalb schon bekannt. Noch in 2017 entschied sich der neue Mittelsachse für die Selbstständigkeit als Dienstleister im Gastronomiebereich. „Ich wollte auch für die Familie flexibler sein, unternehmerische Freiheiten genießen. Durch die Zeit sammelte ich viel Erfahrung, unter anderem als Eventkoch. Ich hatte auch deshalb dienstlich Kontakt zu Kornelia und Hans-Jürgen Kahsnitz“ Beste Voraussetzungen, um den aufgebauten Gastronomiebetrieb zu übergeben – dachten sich die vorherigen Eigentümer.
Das Café eröffneten sie im Januar 1989 mit selbst erarbeitetem Eisrezept. Sich stets neu zu erfinden und Herausforderungen mit Unternehmergeist zu begegnen, haben sie seitdem gelernt. Denn gleich zehn Monate nach Eröffnung kam die Wende – im wahrsten Sinne des Wortes. „Von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft: schlechte Tagesumsätze folgten. Denn die Leute hielten ihr Geld fest oder stürzten sich auf die Westprodukte. Frische Ideen mussten her“, erinnert sich Kornelia Kahsnitz. Sie und ihr Mann investierten in diesen schlechten Zeiten, um den Gästen etwas Neues zu bieten. Meinungen von Stammgästen wurden gehört, der Blick auf die Konkurrenz nicht vernachlässigt. Für die Weiterentwicklung wurde viel ausprobiert – bei den Öffnungszeiten sowie beim Angebot. „Man darf nicht stehenbleiben“, betont Hans-Jürgen Kahsnitz und ergänzt: „Innerhalb unserer Geschäftsbeziehung mit Liebigs hatten wir das Gefühl, hier macht der eine, was der andere denkt. Wir ticken sehr ähnlich.“
Nach einigen Gesprächen zwischen 2017 und 2019 entschied sich David Liebig unterstützt von seiner Frau Catrin im Mai 2019 für die Unternehmensnachfolge. Doch die Geschichte wiederholte sich: Wieder waren es zehn Monate bis zum ersten Rückschlag. Die Corona Pandemie sorgte für große Umsatzeinbußen. Das junge Unternehmerpaar ließ sich davon jedoch nicht entmutigen: „Wir gingen mit der gleichen Haltung heran wie unsere Vorgänger und passten uns der veränderten Situation an“. Neue Herausforderungen – neue Chancen: Ein Lieferservice wurde etabliert, der mittlerweile auch Kindertagesstätten und Einrichtungen zum altersgerechten Wohnen beliefert.
Durch die Übergabe mitsamt dem bewährten Eisrezept wurden die ehemaligen Besitzer zu Angestellten, denn sie wollten gern während ihres Ruhestandes weiter im Geschäft arbeiten. Hans-Jürgen Kahsnitz hilft bei Bedarf in der Eisproduktion und fungiert als gute Seele für Haus und Hof. Seine Frau Kornelia unterstützt im Service. David Liebig betont: „Der Vorteil ist, dass wir jederzeit Fragen innerhalb des Tagesgeschäftes klären können.“ Selbst das Haus von Familie Kahsnitz ist in Besitz von Familie Liebig übergegangen. Im Erdgeschoss befindet sich weiterhin das „Flora“. In einer der oberen Wohnungen leben die ehemaligen Eigentümer nun zur Miete. Für Kornelia Kahsnitz ist das kein Verlust: „Loslassen ist das Erfolgsrezept. Man sollte immer offen für Neues sein. Und ganz ehrlich: Unsere neuen Freiheiten genießen wir sehr“. Gleichzeitig sei es wichtig, dass der Nachfolger Verantwortung übernimmt.
Auf der Suche nach Fachkräften kontaktiert David Liebig 2023 Nestbau-Koordinatorin Helen Bauer. Mit ihrer Unterstützung boten sich neben potenziellen Fachkräften auch Netzwerk-Veranstaltungen, bei denen der Unternehmer neue Geschäftskontakte knüpfte und weitere Kooperationen für die Belieferung mit seinem hausgemachten Eis schloss. Nestbau-Kooperationspartner wie die IHK Chemnitz Regionalkammer Mittelsachsen seien für ihn ebenfalls eine Bereicherung zur Fachkräftesuche und Netzwerkerweiterung. Die Kammer bietet in Bezug auf die Unternehmensnachfolge übrigens die Online-Börse „nexxt-change“ an. Über die Plattform können kostenfreie Übernahmegesuche und Übergabeangebote inseriert werden.
„Wir haben die Übergabe auch ohne Inserat geschafft“, freuen sich beide Paare und besiegeln die erfolgreiche Nachfolge mit … einer Extra-Kugel Flora-Eis natürlich!
„Für uns war das Loslassen ein absoluter Erfolgsfaktor. Indem wir offen sind für Neues, können wir unsere hinzugewonnene Freiheit heute genießen.“ Hans-Jürgen und Kornelia Kahsnitz
„Es ist wichtig, Verantwortung zu übernehmen. Es braucht Weitblick und Flexibilität gegenüber neuen Situationen. Dabei kann auch die Kommunikation zu den Vorgehenden helfen. Wir haben definitiv von deren Wissen profitiert.“ David und Catrin Liebig
Text: Helen Bauer, Bilder: Bianka Behrami