Mittelsächsische Gelassenheit und Tatendrang

Mit dem Denkmalpflegehof hat Stefan Lein durch Zufall eine ideale Produktionsstätte für seine Lehmziegel gefunden. Mittlerweile hat seine Tochter Melanie den Hof gekauft und ist mit Mann und Tochter von der Großstadt Leipzig ins beschauliche Altzschillen zurückgekehrt.

Dass was Familie Lein / Hielscher hat, wird gerne geteilt. Die Pilgerherberge in Altzschillen ist urig, rustikal, gemütlich. Und erinnert ein bisschen an einen alten Gutshof – mit Gewölbe aus Stein, Holztüren und kleinen Fenstern. Die Gäste sitzen – wie beim Besuch der Nestbau-Zentrale– zusammen mit Enkeltochter Johanna (2), Tochter Melanie und Schwiegersohn Michael sowie dem stolzen Opa Stefan Lein am langen Holztisch und genießen gutbürgerliche Küche. Da bleibt auch was für spontane Besucher übrig.

Nach dem Essen werden die Pilgergäste noch mit Fahrrädern aus der großen Scheune versorgt – keine neuen Modelle, aber fahrtüchtig. Herbergsvater Michael kümmert sich dafür persönlich für die nötige Luft auf dem Reifen. Und Töchterchen Johanna genießt die warme Herbstsonne im Hof. Berührungsängste mit Fremden hat sie nicht. Sie lächelt und ruft „Baba“ – gemeint ist der Opa, aber die feinen Unterschiede wird sie sicher noch schnell lernen. Zusammen mit Mama und Papa Hielscher geht es im Anschluss direkt zu Oma in den großen Garten zum Obstpflücken. Die junge Familie ist bodenständig und stellt gerne etwas selbst her – das was Omas Garten ebenso hergibt. Die Nähe zu den Eltern ist im Alltag natürlich praktisch und oft auch hilfreich. Sie war für die jungen Eltern ein wichtiger Aspekt als sie sich entschieden haben, von der Großstadt Leipzig ins beschauliche Altzschillen zurückzukehren.

Opa Stefan Lein ist derweil schon wieder in der benachbarten Scheune verschwunden und werkelt. Die selbstproduzierten Lehmsteine sind auf dem ganzen Hof verteilt und nicht zu übersehen. Große Holzgestelle dienen als Trockenlager. Alle sind voll belegt. Doch das kann sich schnell ändern, denn schon fährt ein Lieferwagen ein. Ein Paar aus dem Nachbarort benötigt Nachschub für die Baustelle. Und den bekommt man bei Stefan Lein persönlich ins Auto geliefert. Anders als bei großen Baugeschäften stapeln sich nicht verschiedene Produkte – hier gibt es nur Lehmziegel, in zwei unterschiedlichen Größen. Doch dafür kann man sehen, wie sie entstehen. In der Scheune lagert der Miscanthus – ein schnell nachwachsendes Schilf, der vorwiegend in Afrika und Asien vorkommt, aber auch in der Region um Mittweida angebaut wird. Draußen im großen Bottich liegt Lehm und das war’s auch schon. Mehr als diese Zutaten benötigt Stefan Lein nicht, um seine Ziegel herzustellen.

Lehmziegel als nachhaltiger Baustoff begeistern Stefan Lein

Doch was vielleicht einfach klingt, ist heute gefragter denn je. Die Steine werden von Stefan Lein und einem Mitarbeiter produziert, gelagert und sind nach circa drei Wochen Trockenzeit verkaufsfertig. Die Rohstoffe kommen aus der unmittelbaren Umgebung – kaum 15 Kilometer entfernt aus Rochlitz bzw. Rossau. Künstliche Stoffe oder Chemikalien kommen hier nicht zum Einsatz. Und genau darin besteht der große Vorteil der Lehmziegel. Die natürlichen, ökologischen Ziegel sind zwar traditionell, aber praktisch. Sie absorbieren Schadstoffe, sind für Allergiker geeignet und sorgen für ein angenehmes, trockenes Raumklima. Und liegen damit eindeutig im Trend, denn immer mehr Bauherren beschäftigen sich mit den traditionellen Baustoffen.
„Da heute immer mehr Menschen Allergiker sind oder bestimmte Materialien nicht vertragen, werden meine `Bio-Lehmsteine` gerne verwendet und sind gefragter denn je. Da sind keine Schadstoffe oder Chemikalien drin – alles 100 Prozent Natur.“ so Stefan Lein, der sich die Kunst des Lehmstein-Fertigens selbst angeeignet hat.
Mit dem Denkmalpflegehof hat Stefan Lein durch Zufall eine ideale Produktionsstätte für seine Lehmziegel gefunden. Der Hof wurde bis 2013 vom CVJM Seelitz e.V. betrieben, um verschiedene Maßnahmen für Jugendliche anzubieten. Bereits dort experimentierte man mit der Herstellung von Lehmsteinen und der Wiederverwendung von Baumaterialien. Als Mitglied im Verein konnte Stefan Lein dabei immer mal „reinschnuppern“.
„Als der Hof geschlossen werden sollte, sah ich neue Möglichkeiten und entschied mich dazu, ihn als künftige Produktionsstätte zu pachten“ erinnert sich Stefan Lein.
Mit viel Geduld, enorm viel Fleiß und einer gesunden Portion Mut ging es daran, Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuarbeiten und eine Grundlage für eine einfache Herberge, einen Ort für Veranstaltungen und eine Produktionsstätte für Lehmziegel neu zu schaffen, bzw. zu erhalten. Zweifel am neuen Geschäftsfeld konnten schnell ausgeräumt werden, denn schon nach einem Monat war das Lager von Stefan Lein komplett ausverkauft. Das gab neuen Ansporn zum Weitermachen. „Geholfen hat mir auch der frühe Kontakt zu anderen regionalen Bauunternehmen wie zum Beispiel der Firma Kroll, die mit verschiedenen Naturbaustoffen handelt. Dank ihrer Erfahrung habe ich einige gute Tipps und Ratschläge für die Branche bekommen“ sagt Stefan Lein und zieht eine positive Bilanz aus seiner Lehmziegel-Produktion.

Mittlerweile hat seine Tochter Melanie den Hof gekauft – auch wenn dazu einige Überzeugungsarbeit zu leisten war. Doch der Ehrgeiz und Tatendrang des Vaters, der neben der Lehmsteinproduktion auch noch eine Zimmerei betreibt, scheint sich vererbt zu haben. Die jungen Eltern haben sich schließlich in den kleinen Hof verliebt und wollen ihn zu einem kuscheligen Nest für sich und ihre Tochter Johanna umbauen. „Sie schätzen die ländliche Ruhe und Gelassenheit und hatten auch keine Probleme eine passende Arbeitsstelle in der Umgebung zu finden.“ freut sich Stefan Lein über die Nähe zu seiner Familie, die in Mittelsachsen ihren Platz gefunden hat.



Text und Fotos: Josefine Tzschoppe