Mit Engagement zum lebenswerten Dorf: Niedersteinbach macht's vor

Nach dem Abriss der Schule in dem kleinen Ort bei Penig steht die Einwohnerschaft vor der Frage, was aus dem zentralen, aber nun freien Platz werden soll. Ihre Ideen und ihr Engagement führen zu einem neuen lebendigen Miteinander. Ergänzt wird das heutige Dorfleben um ein besonderes Angebot.

Was tun, wenn im eigenen Ort die Schule, der Kindergarten und die letzte Gaststätte entfallen? Wenn es die Plätze, die bisher als Treffpunkt für Kinder und Erwachsene galten und zum Austausch beigetragen haben, nicht mehr gibt? Einwohner Marcel Tischer beschreibt es so: „2020 wurde die Schule in unserer Gemeinde abgerissen. Sie stand an einem zentralen Bereich im Dorf und der lag nun brach, hier passierte nichts mehr. Wir fragten uns, was wir damit anfangen könnten.“ Das Land gehört der Kirche, die die Pflege dessen aber selbst nicht stemmen konnte. Um Gelder für eine Belebung zu akquirieren, kam ihm und weiteren Engagierten die Idee nach der Gründung eines Vereins. Denn damit war es möglich, Spenden- und Fördergelder für die Weiterentwicklung des Dorfplatzes aufzutreiben. Im Mai 2021 wurde dann der „nistplatz e.V.“ gegründet, der für den Niedersteinbacher Dorfplatz steht, und der sich zum Ziel gesetzt hat, den Ort aktiv und gemeinsam zu gestalten und für Jung und Alt weiterzuentwickeln. „Das stärkt das Wir-Gefühl und steigert die Bleibebereitschaft junger Familien“, erklärt er als heutiger Vereinsvorsitzender.

Im gleichen Atemzuge zur Gründung nahm Niedersteinbach an ersten Wettbewerben teil: Über die Homepage der Nestbau-Zentrale informierten wir uns über Förderaufrufe und Wettbewerbe. Und nach einem Telefonat mit Nestbau-Koordinatorin Helen Bauer hatten wir einen guten Überblick über weitere Möglichkeiten und Kontakte, die unsere Vereinsarbeit bereichern“, erklärt Tischer. Sie nahmen erfolgreich am Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ teil. Unterstützt wurde dies durch die Dorfwerkstätten, die vom Freistaat Sachsen gefördert wurden. Dazu kamen ortsansässige Vereine – Kirche, Sport, Feuerwehr – sowie Engagierte aus dem Ort zusammen, um Stärken und Besonderheiten der Ortschaft herauszuarbeiten und ein Konzept zu erstellen, das im Laufe der Jahre Stück für Stück umgesetzt werden sollte. „Dazu haben wir eine Fragebogenaktion gestartet und Meinungen sowie Ideen gesammelt“, erklärt Marcel Tischer.

Gute Ideen sind gefragt

Die ersten Ideen wurden noch im Gründungsjahr ins Leben gerufen: „Wir starteten mitten in der Zeit der Corona-Pandemie. Da der Zaun des ehemaligen Schulgeländes alt und grau aussah, riefen wir zur Heimaktion auf: Eltern bekamen die einzelnen Latten für den Zaun mit nach Hause und konnten sie dort mit ihren Kindern gemeinsam gestalten. Heute zeigen wir mit diesem vielfältigen bunten Zaun im Ergebnis, dass wir tatsächlich noch alle Latten am Zaun haben“ erinnert sich die stellvertretende Vereinschefin Kathrin Leberecht schmunzelnd. In 2022 folgte der nächste Wettbewerb, bei dem ein Preisgeld in Höhe von 5.000 Euro gewonnen werden konnte. Mit dem Betrag des sächsischen Simul+ Mitmachfonds konnte der Gedanke eines Mehrgenerationenbackofens auf dem Dorfplatz umgesetzt werden. Denn ein Testbacken mit einem Mietbackofen wurde von den Niedersteinbachern sehr gut angenommen. Die neue Errungenschaft lockt nicht nur zu Veranstaltungen wie Picknickkonzerten, Backtagen, Weihnachts- und Maibaumsetzen für ein gemeinschaftliches Backen an, sondern „befeuert“ gleichzeitig alte Traditionen und belebt sie neu. Und ganz im Sinne des zirkulären Bauens wurden die Ziegel für das Schutzdach über dem Ofen vom Abriss des alten Wohnhauses nebenan entnommen und wiederverwendet. Heut steht dort das Feuerwehrgerätehaus.

Prämissen für die positive Entwicklung in Niedersteinbach

Viel Enthusiasmus und Heimatverbundenheit sind für diese Vereinsarbeit notwendig. Und noch etwas: „Wenn Kathrin nicht so rührig wäre, hätten wir die finanziellen Mittel nicht“, erklärt Vereinschef Tischer. Denn Fördermittelanträge und Wettbewerbsbeiträge sind nicht im Handumdrehen eingereicht. Sie bedingen viel Fleißarbeit und die ist wiederum mit einem entsprechenden Zeitaufwand verbunden. Doch Kathrin Leberecht geht mit dem Credo „einfach erstmal machen“ ran und lässt sich davon nicht entmutigen. Und sie ergänzt: „Es ist wichtig, auf die Menschen zuzugehen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Es braucht Leute, die mitmachen und anpacken.“ Auch der gute Draht zum Bürgermeister André Wolf sei eine große Unterstützung von Anfang an. Gleichzeitig trage die Kooperation mit anderen Vereinen im Ort deutlich zum Erfolg der Dorfentwicklung bei. Das sind insbesondere die Sportgemeinschaft, die Schützengilde und vor allem die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr. Die gemeinschaftlichen Aktionen kommen sehr gut an: „Wir erreichen sogar die Nachbardörfer und erleben eine sehr positive Resonanz“, freut sich die Niedersteinbacherin.

Ein weiterer Gewinn für die kulturelle Entwicklung Niedersteinbachs

Kathrin Leberecht ist es auch, die mit der Verwirklichung ihres einstigen „Hirngespinstes“, wie sie es bezeichnet, einen zusätzlichen Mehrwert für den Ort geschaffen hat. Direkt gegenüber von dem heutigen Treffpunkt für alle Generationen befindet sich seit Ende 2020 ihr Kulturgewölbe „Kale“. Es deutet nicht nur vom Namen her auf die Eigentümerin hin. Den ehemaligen Kuhstall ihres Elternhauses hat sie umfunktioniert, um „Kultur auf’m Land erleben“ zu können. „Eine schöne Atmosphäre in Verbindung mit Kultur und kulinarischen Kleinigkeiten konnte ich mir gut vorstellen“, erklärt sie mit einem großen Strahlen im Gesicht. Aspekte, die sie selbst gern mag, bringt sie an einem Punkt zusammen und erfüllt sich damit nicht nur selbst einen Traum, sondern verbindet erneut die Menschen vor Ort. So finden ein- bis zweimal im Monat Kabarettabende, Whiskeyverkostungen, Lesungen oder kleine Konzerte in dem Kreuzgewölbe am Steinbach und auf dem Hof statt, die sie stets mit besonderem Ambiente und gutem Essen umrahmt. „Man muss schon mit einer gewissen Blauäugigkeit an ein solches Vorhaben rangehen, sonst macht man es nicht. Man könnte vor der vielen benötigten Zeit und den Nerven erschrecken, die man dafür hin und wieder braucht. Aber mir sind die zwischenmenschlichen Beziehungen wichtiger als ein auf Hochglanz geputztes Haus. Und die vielen positiven Rückmeldungen der begeisterten Besucher bestätigen mich immer wieder. Das macht mich glücklich“, resümiert die aktive Dorfentwicklerin.

Beide Aspekte – die Vereinsarbeit für den zentralen Dorfplatz und das Betreiben eines Kulturcafés – haben das Leben in Niedersteinbach weiterentwickelt. Ein neues und generationsübergreifendes Miteinander ist durch viel Engagement der einzelnen Akteure in Kooperation mit den Bewohnern entstanden und sorgt heute für frischen Wind, für noch mehr Zusammenhalt und für Attraktivität im ländlichen Raum.

Was braucht es für eine aktive Dorfgemeinschaft?

  • Engagement der Bewohner im Sinne von „Miteinander füreinander“
  • Auseinandersetzen mit Förderprogrammen und Wettbewerben - Nutzen der Informationen über die Nestbau-Zentrale
  • Transparenz: Social Media Kanäle und Websites für das Verbreiten von Aktionen und Vorhaben
  • Einen guten Draht zur Kommune und zu ortsansässigen Vereinen, zur Feuerwehr und zur Kirchgemeinde
  • Ein offenes Ohr für die Bedürfnisse von Jung und Alt innerhalb der eigenen Dorfgemeinschaft haben
  • Organisieren von gemeinsamen Veranstaltungen zum Stärken des „Wir-Gefühls“

Text: Helen Bauer, Bilder: Bianka Behrami