Grün statt Grau: Von der bewussten Entscheidung für das Landleben

Familie Feller zieht von der Großstadtwohnung auf den ländlichen Dreiseitenhof in Mittelsachsen und nimmt viel Arbeit mit den alten Gebäuden in Kauf. Welche Motivation sie antreibt und was ihnen das Landleben bietet, erzählten sie der Nestbau-Zentrale.

„Wenn du am Morgen nicht weißt, wo du dein Auto am letzten Abend abgestellt hast, weißt du, dass du in der Großstadt lebst“, erinnert sich Andreas Feller mit einem Augenzwinkern an seine Zeit in Leipzig zurück. Er studierte dort Lehramt auf dem zweiten Bildungsweg und verließ dafür seine Heimat Rathendorf. Um sich den täglichen Parkplatzkampf zu ersparen, kaufte er sich ein Rennrad in Berlin. Mittels Bahnticket organisierte er sich die Abholung und lernte während der Rückfahrt von der Landeshauptstadt nach Leipzig seine Frau Gerlinde kennen. Sie stammt aus Westfalen, lebte und studierte zu der Zeit in Berlin und war für einen Ausflug mit der Bahn unterwegs. Für die neue Liebe nahmen beide einige Jahre Fernbeziehung in Kauf. Denn nach dem Studium arbeitete die heute freie Lektorin und Texterin noch einige Jahre an der Universität in Göttingen. Als sich Zuwachs ankündigte, zog das Paar in Leipzig zusammen.

Leonore und Esther bereicherten das Leben der frisch gebackenen Eltern und sorgten für ein Umdenken: „Andreas und ich sind beide auf dem Land groß geworden. Das wollten wir auch unseren Kindern bieten. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, noch vor Schulbeginn unserer ersten Tochter zurück in den ländlichen Raum zu ziehen“, so die junge Mutter.

Die Familie hatte die Möglichkeit, zurück in die Heimat von Gerlinde nach Westfalen zu gehen und dort ein Haus aus ihrer Verwandtschaft zu beziehen. „Was dagegensprach, war die dichte Bebauung mit neuen Häusern und das wesentlich teurere Leben dort. Wir wollten etwas Altes mit Charakter sowie Platz für Garten und Tiere“, beschreibt sie. Über die Internetrecherche stießen die Ratsuchenden auf die Nestbau-Zentrale: „Wir wurden nicht nur bei der Grundstückssuche unterstützt, sondern auch im Hinblick auf Freizeitaktivitäten und Jobs“, freut sich die neue Mittelsächsin über das darüber entstandene Kontaktnetzwerk.

In Königshain-Wiederau kauften sie im März 2021 einen um 1850 erbauten Hof, zu dem neben viel Grün ein Wohnhaus, eine Scheune und ein sogenanntes „Auszugshaus“ gehören. Letzteres ist perspektivisch für die Eltern von Andreas Feller gedacht, die in der Nähe wohnen. Schon im Herbst des gleichen Jahres konnte die vierköpfige Familie einziehen, da einige Räume des Hauses bewohnbar, wenn auch noch nicht wohnlich waren.

„Zu Beginn war hier alles dreidimensional schief, aus dem Keller stieg die Nässe hoch und Salpeter ließ freundlich grüßen“, fasst der neue Hofherr den anfänglichen Zustand zusammen. Im ersten Winter wurde lediglich mit den zwei vorhandenen und funktionierenden Öfen geheizt. Die Installation eines neuen Heizsystems musste aufgrund von Lieferengpässen um Monate verschoben werden. Es ergaben sich während der Sanierung immer wieder neue Baustellen. Doch die Entscheidung fiel ganz bewusst auf das alte Hofgut: „Rückschläge sind mit einem so alten Bauwerk selbstverständlich verbunden. Im Gegenzug bietet die Gebäudesubstanz durch die hier verwendeten nachhaltigen Naturbaustoffe ein besonderes Wohnklima“, weiß Andreas Feller und deutet während des Rundgangs durch das Wohnhaus auf die alten Lehmziegel. Um diese Besonderheit zu erhalten, verputzt die Familie mit tatkräftiger Unterstützung der 7-jährigen und 4-jährigen Töchter die Wände zusätzlich mit Lehm.

„Was uns am Anfang der Sanierungsphase überraschte, war das gut funktionierende Netzwerk in der Nachbarschaft. Die Kontakte zu regionalen Handwerkern nahmen wir gern an und auch die Offenherzigkeit und Unterstützung im Dorf begeisterten uns“, berichten die Eltern dankbar. Werkzeuge werden gegen Ernteerfolge getauscht, eigene Tiere und die aus der Nachbarschaft wechselseitig während des Urlaubs versorgt. Davon profitieren auch die zwei Mädchen: „Wir dürfen die Ponys nebenan streicheln und füttern“, berichtet Leonore stolz.

Von Mittelsachsen überrascht

Auch die Vernetzung an ihrem heutigen zusätzlichen Arbeitsort hätte die Freiberuflerin Gerlinde Feller in der ländlichen Gegend nicht vermutet: „Nebenher bin ich in der Werkbank32 in Mittweida unterstützend für Veranstaltungen tätig und bemerkte sofort die gute Verknüpfung zu regionalen Unternehmen und Initiativen an dem Ort – eine tolle Bereicherung!“ Auch die Coworking-Spaces des Innovationszentrums und Netzwerkpartners der Nestbau-Zentrale nutzte sie für ihre Selbstständigkeit.

Die Entscheidung für die viele Arbeit mit dem Gebäude und dem Grundstück hat das Paar nicht bereut: „Unser Leben heute ist arbeitsreich. Wir haben uns Schafe angeschafft und planen einen Hühnerstall, beides nimmt viel Zeit in Anspruch. Aber wir empfinden das nicht als Last, sondern als Erholung. Wir frühstücken bei schönem Wetter im Garten und schauen bei Regen aus unserem großen Wohnzimmerfenster. Wir sind gern hier und vermissen unser Daheim, wenn wir nicht da sind“, erläutert die Zuzüglerin. Andreas Feller, der mittlerweile als Lehrer an einer Oberschule in Chemnitz arbeitet, ergänzt erleichtert: „Und wenn ich heute nach Hause komme, habe ich immer einen Parkplatz direkt auf dem Grundstück“.


Unsere Tipps für das Bauen auf dem Land

Gerlinde und Andreas Feller vor ihrem Hoftor

„Beim Bauen und Sanieren ist Geduld ein wichtiger Faktor. Netzwerke spielen eine große Rolle – hier unterstützt die Nestbau-Zentrale tatkräftig mit geeigneten Kontakten. Immer in Verbindung mit der Nachbarschaft zu stehen und regionale Handwerksbetriebe unterstützen, ist weiterhin aus unserer Erfahrung heraus wichtig. Und nicht zuletzt sind eine offenherzige Herangehensweise und ein klares Ziel vor Augen bedeutend.“

Text und Bilder: Helen Bauer