Neue Ideen für altes Handwerk in Seelitz

"Ohne persönliche Entfaltung wird es öde". Dieser Leitspruch führt Familie Häuser-Freymann zu einem nachhaltigen Konzept für einen alten Dreiseitenhof in Seelitz.

Besucht man Familie Häuser-Freymann, wird eines schnell klar: Hier wird Naturverbundenheit in allen Facetten gelebt. Kaiser Friedrich Wilhelm, Auralia und Carola leben zusammen mit anderen Apfelsorten auf der eigenen Streuobstwiese. Ein großer Garten mit Permakultur zur Selbstversorgung bereichert das Grundstück. Und die Gebäude in Fachwerk-Konstruktion werden aktuell mit natürlichen Baustoffen wie Lehmputz saniert. Dabei finden sich so manche Schätze im 1680 erbauten Hof: Im Wohnhaus wird charakteristische Dielung unter verbrauchtem Linoleum hervorgeholt, geschliffen und geölt. Bunte Malereien schmücken die Wände, nachdem sie von etlichen Schichten Tapete befreit wurden. Ein alter Holzofen wärmt Küche und Wohnzimmer. Der Fachwerkhof hat viel zu bieten: „Er ist nicht zu groß und nicht zu klein und liegt in der Nähe eines Waldes“, beschreibt Kristin Häuser.

Im September 2020 fasste das Paar den Entschluss, von Leipzig in ein ländlicheres Gebiet zu ziehen. „In der Großstadt wollten wir auf keinen Fall alt werden“, bestätigt André Freymann als gelernter Landschaftsgärtner. Ursprünglich aus Raum Borna und Wittenberg stammend lernten sich beide 2016 in Leipzig kennen. Mit dem kurz darauffolgenden Familienzuwachs wurde auch die Suche nach einem neuen geeigneten Zuhause intensiviert: „Wir begeisterten uns von Anfang an für Mittelsachsen. Die Landschaft ist sehr bewegt und vielfältig“, erinnert sich die sympathische Mutter von zwei Kindern. Gemeinsam fuhren sie den Landkreis ab und verteilten Aushänge mit ihrem Gesuch an Orten, die beiden gefielen. Ein interessierter Bekannter sah einen Aushang und gab dann den entscheidenden Tipp für den Dreiseitenhof in Seelitz. „Uns gefiel, dass der Hof sehr geschichtsträchtig ist und einiges erlebt hat. Den Charakter des Bauerngutes nun zu erhalten, ist uns wichtig“, erklärt der Neu-Seelitzer.

Neue Ideen für altes Handwerk

Immerhin wurde hier vor zahlreichen Jahren bereits traditionelles Handwerk gelebt: Am Fenstersims hängt auch heute eine alte Flachshechel zum Kämmen von Wolle, ein verstaubtes Spinnrad findet sich in der Scheune. Für die davon faszinierte Näherin war es ein Zeichen für das passende Familiennest und dem überzeugten Paar kam ein Gedanke: „Den Kauf des Gutes finanzierten wir dann im Sommer 2021 über Crowdfunding, einer Art Finanzierung über private Darlehen.“ Denn mit dem überzeugenden Konzept der umweltbewussten Hinzugezogenen sprachen sie den wachsenden Wunsch der Menschen an, die Natur in Gemeinschaft kennenzulernen oder wiederzuentdecken.

Nach dem Einzug wurden sie von ihrer lieb gewonnenen Nachbarin scherzhaft begrüßt mit den Worten: „Ach, ihr seid die Ökos?“ - denn wo andere Rasenmähen, wird bei Familie Häuser-Freymann gesenst. Der Natur und den Insekten Raum zu geben und mit der Geschichte des Hofes zu leben, hat eine hohe Bedeutung für sie. Die Kinder Leyma und Jul wachsen mit großem Bezug zur Umwelt auf und lernen viel über Heilkräuter kennen. Denn ihr Vater ist auch Pflanzenpädagoge und betreibt mit Unterstützung seiner Partnerin die „Wilde Kräuterey“, aktuell noch in Leipzig. Hier werden Workshops, Seminare, Weiterbildungen, Exkursionen und mehr zur Wildpflanzen- und Baumkunde angeboten. Das wird besonders von Großstädtern zunehmend genutzt: „Was aktuell gesammelt und praktisch verarbeitet werden kann, möchte ich vermitteln. Wer weiß schon, dass selbst gepflückter Brennnesselsamen über das tägliche Müsli gestreut zur Unterstützung der Mineralienzufuhr beitragen kann?“, erklärt der Kräuterspezialist. In und mit der Natur zu arbeiten, wollte er schon von Kindesalter an. Mit der Selbstständigkeit ab 2009 konnten endlich eigene Pläne umgesetzt werden.

Nebenher trägt er auch mit Baumpatenschaften zu einem verschärften Bewusstsein für Bäume und deren Früchte bei: „Und unsere Streuobstwiese neben dem Hof soll perspektivisch als Waldgarten angelegt werden“, erklärt der studierte Landschaftsplaner. Obstbäume, -sträucher und Gemüsearten wachsen gemeinsam darin und bilden damit ein resilientes Anbausystem, das durch die Gemeinschaft auf die Stärkung der Widerstandskraft der pflanzlichen Bewohner abzielt. Geballtes Fachwissen für die Jüngsten. Doch nicht nur dieser Aspekt spielte für die Eltern der zwei aufgeweckten Kinder bei der Wahl der neuen Heimat eine große Rolle: „Der Kindergarten ist direkt im Dorf nebenan und auch die Schule ist nur einen Kilometer entfernt“, freut sich die junge Mutter. Die Familie fühlt sich sehr wohl in der neuen Umgebung. „Als wir hier ankamen, haben wir uns zunächst bei der Nestbau-Zentrale über sämtliche Fördermöglichkeiten für die Hofsanierung informiert. Hier haben wir beispielsweise mehr zur LEADER-Förderung erfahren und stehen mit den Ansprechpartnern auch heute in guter Verbindung“ erinnert sich die Hobbyhandwerkerin. Mit diesen Kontakten und Möglichkeiten arbeitet die Familie nun an der Umsetzung ihrer Idee für das Gut.

Das Konzept für den Dreiseitenhof

Im Fokus steht die Schaffung von einem Platz für Gemeinschaft, Handwerk und Erholung. Die handwerkliche Geschichte des Hofes wird wiederbelebt durch Mitmach- und Schauwerkstätten in der alten Scheune. Traditionelles Textilhandwerk und alltagstaugliche Kräuterverarbeitung stehen dann bei Seminaren und Workshops im Mittelpunkt. Das Nebengebäude wird ausgebaut zur „Heu-Herberge“, die später den Gästen zur naturnahen Übernachtung dient. Der Verkauf von Produkten aus selbstangebautem und -verarbeitetem Gemüse sowie Kräutern stellt eine weitere Säule dar. Es liegt noch viel Arbeit vor Familie Häuser-Freymann, doch die ist sich sicher: „Wenn man mit Mut vorangeht, kann man die Menschen für ein Projekt begeistern.“

Text: Helen Bauer, Bilder: Miriam Uhlig